Donnerstag, 7. November 2013

Panamas jüngere Geschichte, ¡Fiestas Patrias!, Leia zu Besuch

Der November ist so etwas wie der Festtagsmonat in Panama. Es beginnt mit dem 3. November, dem Tag der Unabhängigkeit Panamas von Kolumbien. Nachdem sich die ehemalige spanische Kolonie Panama 1821 von Spanien abspaltete (Feiertag am 9. November), schloss sie sich an Großkolumbien an. 1903 löste man sich, mit Hilfe der USA, die endlich den (eigenen) Kanal fertig bauen wollten, von Kolumbien ab. Richtig frei war man auch dann noch längst nicht,
wurde bis 1968 von Oligarchen, später von einer Art Militärdiktatur regiert. Während der gesamten Zeit hatten die US-Amerikaner ("Gringos") nicht nur in der Kanalzone einen nicht zu unterschätzenden Einfluss, sondern auch mit 14 Militärstützpunkte im ganzen Land. Nachdem Ende der 80er-Jahre die Politik des Diktators Manuel Noriega den USA nicht mehr gefiel, da man die Passierbarkeit des Kanals für amerikanische Schiffe gefährdet sah, wurde die bisherige Duldung aufgegeben. Nach einer durch Noriega manipulierten Wahl, mobilisierten die USA dann ihre Truppen und stürzten den Despoten durch einen Angriff auf Panama. Kurz darauf wurde der Oppositionskandidat als Sieger der Wahl auf einem US-Stützpunkt (!) vereidigt. Die nächsten Wahlen sollten demokratisch stattfinden.

Offiziell frei vom US-amerikanischen Einfluss ist Panama seit dem 31. Dezember 1999, 12 Uhr. Dann wurden die US-Militärbasen und das gesamte Kanalgebiet an Panama übergeben.

Genug zur Historie, ab auf die Straße

Da feierten wir nämlich Sonntag mit einem ca. 7 km langem  Festumzug (eigene Schätzung) den bereits erwähnten Tag der Unabhängigkeit Panamas von Kolumbien. Am Montag darauf dann einfach noch einmal. Schließlich stand die Ehrentribüne ja bereits und geschmückt sind die Straßen ohnehin noch den ganzen November.

Sonntag

Am Sonntag stand ich als Zuschauer gegen 9 Uhr an der Straße und beobachtete, wie eine Motorrad-Staffel der Polizei den Umzug eröffnete. Es folgten unzählige Delegationen, hier eine Auswahl in Bild und Ton:

Musikgruppen mit nach Filmmusik oder Musical klingenden Stücken, die mich musikalisch an mein Blasorchster aus Himmelpforten erinnern, das übrigens morgen (8.November, 19.30 Uhr,  Eulsete-Halle, Himmelpforten) zu seinem Jahreskonzert einlädt:



Die Melodien der beiden Lieder klingen sehr nach bekannter Filmmusik. Ich weiß leider nicht, wie die Lieder heißen oder aus welcher US-Serie vor meiner Zeit sie eventuell stammen. Besserinformierte dürfen sich gerne in den Kommentaren verewigen ;-)

Äußerst geduldig ausgeführte Darbeitungen, die nach Militärritual aussehen, meist aber von weiterführenden Schulen (colegios) durchgeführt werden:



Artistische Darbietungen:

artistische Höchstleistungen der "Tabla Gimnástica" der Universidad de Panama

 Traditionelle Schönheiten:


Das traditionelle Kleid (La Pollera)


 Unzählige riesige Delegationen der örtlichen Universitäten:
StudentInnen der "Infameria"
Eine dieser Delegationen wurde durch die 21-jährige Lena aus Föhr angeführt. Sie lebt permanent in Panama, da sie vor etwa einem Jahr einen Panameño heiratete. Spannende Geschichte. Ich weiß nicht, was meine Eltern sagen würden, wenn ich jetzt für immer hier bliebe ;-)



Schlussendlich, und tatsächlich als letzte Delegation des mehr als 4-stündigen Umzuges, kam die Band, die mir persönlich am besten gefallen hat: Die Banda Independiente Veraguas. Ich hatte mir bereits Proben der Gruppe nachts in den Straßen der Stadt angesehen und hoffte, die Gruppe auch heute hören und sehen zu können, denn die Jungs haben echt was drauf, seht selbst:




Das Video ist recht lang geworden, da ich ständig auf den Moment gewartet habe, in dem ein Lied vorbei ist und ich das Video beenden kann. Dieser Moment kam jedoch gar nicht, da die Gruppe übergangslos den kompletten Marsch durchgespielt hat.

Fast alle Panameños sind patriotisch eingestellt und schmücken im Monat der Patrias, dem November, Haus und Auto mit Flaggen und anderen patriotischen Symbolen, von denen es so einige gibt. Plakate am Straßenrand klären über die verschiedenen Symbole auf:

Die Blume "Espiritu Santo" gilt als patriotisches Symbol

Obwohl mir ein derart gelebter Patriotismus mit landesweiten Paraden als Deutscher natürlich eher fremd ist, empfinde ich den Stolz der Panameñnos auf ihr Land zu keiner Zeit als bedrohlich oder unangebracht. Die Leute feiern ihr Land ohne sich über andere Länder zu erheben, was dem Patriotismus generell ja oft vorgeworfen wird. Als ich am Montag beim Umzug, sowie auf der Tribüne einen Sombrero aus dem Land trug, von dem man sich an besagtem Tag loslöste (Kolumbien), störte sich niemand daran.

Leichtfertig davon ausgehend, mir den Umzug ja entspannt im Schatten ansehen zu können, ließ ich meinen kolumbianischen Leih-Sombrero am Sonntag jedoch zu Hause und vergaß auch, Sonnencreme zu verwenden. Das Resultat konnte man noch am selben Tag an meinem Gesicht ablesen: alles rot.



Montag

Am Montag war ich dann selber dran, am Umzug teilzunehmen. Und zwar mit der selben musikalischen Truppe, mit der ich bereits zum Cerro Hoya Nationalpark unterwegs war. Unser Reportiore umfasst vor allem sogenannte "Tamboritos". Das sind relativ kurze, von traditionellen Tambores (Trommeln) begleitete Musikstücke, die aus einem Frage-Antwort-Spiel einer Vorsängering und des Chors bestehen.

Ich habe meinen Gastvater mit meiner Videokamera vertraut gemacht, damit er dieses Videos unseres Gesanges auf der Avenida Central aufnehemen konnte:



Wie man sieht, ist der Himmel über Panama meist blau, jedoch fast nie wolkenlos - zumindest dürfte das bis zum Ende der Regenzeit um den Jahreswechsel so bleiben. Der Sound ist immerhin drauf.

An der Ehrentribüne angekommen, löst sich die Gruppe auf. Ein paar Kollegen laden mich auf ein Bierchen (Cervezita) in eine Bar ein. In einer anderen Bar, die ich eigentlich nur aufsuche, um die Toilette zu besuchen, laden mich Kollegen der Landwirtschaftsbehörde MIDA, die ich nur flüchtig kenne, ein, ein weiteres Mal auf Panama anzustoßen. Die Stimmung in der gesamten Stadt ist ausgelassen.

Später treffe ich Maria-Anna, die ich ja bereits länger kenne, lange aber nicht mehr gesehen habe, und Lena, die Panameña. Von der Ehrentribühne (hat niemanden gestört, dass wir drauf gingen) konnten wir uns dann noch die restlichen Delegationen ansehen. Viele Musikgruppen waren heute bereits zum zweiten Mal dabei, der Umzug im Groben also wie am Tag zuvor.


Dienstag

Auch der Dienstag war ein freier Tag. Weil der Feiertag (3.November) diesmal auf einen Sonntag fiel und der 4. November (Montag) ohnehin frei ist, wird ein Tag ohne Arbeit nachgeholt. Das besagt ein Gesetz hier und wirkt im Vergleich mit Deutschland, wo arbeitsfreie Tage ja eher abgeschafft werden, etwas eigenartig. Nun gut, einen freien Tag nimmt man gerne mit.

Leia, die ich auf Coiba kennen gelernt hatte, nutzte diesen Tag, um von Soná, wo sie sich seit der Erkrankung aufhielt, nach Santiago zu kommen. Sie hatte dort 3 Tage im Krankenhaus verbracht und will diese Erfahrung nun hinter sich lassen. Da sie noch eine Unterkunft braucht, frage ich meinen Gastvater, ob sie nicht das Gästezimmer beziehen könnte. Er hat nichts dagegen, also wohnt Leia jetzt hier und sie erzählt mir, wie es ihr die letzten Tage ergang und wie es weitergeht. Weil ihre Tropenfieber-Erkrankung sie aus der Reiselaune brachte, wird sie endgegen ihrer bisherigen Pläne zu Weihnachten nach Deutschland fliegen. Im Januar geht es dann nach Tobago zum Tauch-Praktikum.


Sie ist froh, nach längerer Zeit mal wieder eine angenehme Unterkunft mit Waschmaschine und Premium-Verpflegung zu haben. Es gibt die Suppe "Señora Sopa". Señora deswegen, "weil sie so gut ist", sagt mein Gastvater Abraham.
Die Straße bei Blende 3.3, 15", ISO 100

Wir verbringen den Abend damit, dass ich ihr zeige, wie man die Manuel-Modi ihrer Kamera verwendet, die meiner Kompakten leider fehlen, und wir unsere Fotos von Coiba tauschen. Morgen will sie bereits weiter in die Provinz Bocas del Toro im Nordosten der Republik, um bei einer Art Hostel mit kreativem Ladengeschäschft zu arbeiten. Ein Projekt europäischer Aussteiger.

Mittwoch

Leia auf dem Wochenmarkt neben dem "Mosquero", einem
beliebten Tortilla-Imbiss
Am Mittwoch kommt Leia mit ins Büro der anam, ich stelle ihr die Kollegen vor und sie kann beim Krankenhaus in Soná anrufen, dem sie noch $73 und das ihr noch das Ergebnis des Dengue-Tests schuldet. Wenigstens das kann sie bekommen - kein Dengue. Man hat aber auch nichts anderes getestet. Das Geld möchte man als Überweisung nicht entgegennehmen, macht ihr aber verständlich, dass sie es bis zur Ausreise noch bezahlen muss, da diese sonst schwierig würde. Also nochmal 2 Stunden mit dem Bus nach Soná fahren? Zum Glück fährt die anam regelmäßig in den Ort, das Geld findet also seinen Weg.

Nach Feierabend machen Leia und ich uns auf in die Innenstadt, um ein Ladegerät für ihr NOKIA zu besorgen. Kaum an der Avenida Central angekommen, regnet es in Strömen. Aber so richtig. Was macht man bei so einem Wetter? Shoppen gehen. Danach zeige ich ihr eine typisch-lateinamerikanische Spezialität: Tamal.

Tamal: in ein großes Blatt eingewickelter Kartoffelbrei mit Fleisch und / oder Fruchtfüllung,
Bildcredit und Rezept: http://www.mycolombianrecipes.com/mom%E2%80%99s-colombian-tamales-tamales-colombianos-de-mi-mama
Es ist toll, sich - außer bei Skype - mal wieder länger auf Deutsch zu unterhalten und sich auch mit einem Menschen in einer ähnlichen Situation austauschen zu können. Ich zeige ihr ein paar Ecken der Stadt, ich erfahre von ihr, dass Santiago, da touristisch nicht überlaufen, eine sehr günstige Stadt ist. Andere Orte seinn weitaus teurer. Besonders ansehnlich ist die Stadt allerdings auch nicht.

Für den späten Abend hat Leia den Nachtbus nach Bocas gebucht. Nach einem entspannten Abend Zuhause bringen Abraham und Ich sie zum Bus, der gegen 23:30 Uhr abfährt. Mit gepacktem Rucksack geht es weiter auf der Entdeckungstour.

Eine über die Abrahams Gastfreundschaft erfreute Leia und Abraham auf dem Busbahnhof


Ausblick

Abschließend noch ein kurzer Ausblick. Morgen geht es mit der anam nach Soná. Wieder zu einem Festumzug. Viele Orte haben diesertage lokale Feiertage. Meist ist das der Tag, an denen auch bei ihnen die Unabhängigkeit von Spanien oder Kolumbien ausgerufen wurde.

Am nächsten Dienstag, dem 12. November fahre ich für voraussichtlich 3 Tage in den Nationalpark Santa Fe. Dieser liegt im Norden der Provinz und beherbergt in seinen Bergregionen unter anderem einige Jaguare. Ich denke, dass die Reise dorthin aufgrund der Höhenlage eine deutliche Abkühlung bedeuten wird.

Am darauffolgenden Wochenende, oder aber auch später, werde ich vielleicht mit dem Cousin meines Gastvaters nach Costa Rica fahren. Aber das steht noch nicht fest. Mehr dazu später.

Arne

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