Sonntag, 26. Januar 2014

"Las Mil Polleras": Das Fest der 1000 Kleider, MIDES

MIDES - meine neue Beschäftigung

Mit dem neuen Jahr habe ich, nach der anam, eine neue Freiwilligen-Arbeit angefangen. Da mir nicht mehr sonderlich viel Zeit bleibt in Panama, ist auch der Umfang dieser Beschäftigung eher überschaubar. Gerade einmal etwas mehr als einen Monat kann ich mit den Kollegen des MIDES (Ministerio de desarollo social), des Sozialministerium des Landes, verbringen. Durch eine "Nota" meines Gastvaters, einen kleinen Brief an den Direktor der MIDES Veraguas, der nebenbei ein "Amigo" meines Gastvaters ist, wird mir die Stelle gesichert. Bis zum 7. Februar fahre ich nun also morgens mit dem Bus in den Stadtteil "Canto del Llano" nördlich der Intermericana. Dort liegt das zentrale Büro der Behörde für die Provinz Veraguas.

In den drei Arbeitswochen, die ich beim Schreiben dieses Eintrags bereits in besagtem Ministerium verbracht habe, habe ich neben den alltäglichen Abläufen sowie einigen Ausflügen auch bereits persönlich den Sozialminister Panamas kennen gelernt. Außerdem habe ich am größten Trachtenfest des Landes "Las Mil Polleras" teilgenommen.





Im Vergleich zum Büro der anam ist das MIDES in Santiago recht altmodisch, mit kleinen Büros ausgestattet. Nach dem mein Chef mich am ersten Tag (7.1.) begrüßt hat, zeigt mir ein Kollege die Büros und erläutert verschiedene Programme, die das MIDES betreut. Die wichtigsten davon sind:
  • Red de Oportunidades (Netzwerk der Möglichkeiten): Sozialhilfe in Form von sogenannten "subsidios", Unterstützung von ca. 100$/Monat für Erwerbslose, die nur verteilt werden, wenn nach den persönlichen Möglichkeiten ein eigenes Projekt gestartet, oder soziale Arbeit (z.B. an Schulen) geleistet wird.
  • 100 a los 70 (100 an die 70-jährigen): Grundsicherung von ursprünglich 100$/Monat (mittlerweile 120$) an Menschen ohne eigene Rente
  • Angel Gurdian: Unterstützung der Eltern von Menschen mit Behinderung
  • ODSS (Officina de seguro social): Unterstützung minderjähriger, die drogenabhängig, von Armut bedroht oder sonst irgendwie "auf die schiefe Bahn" ("en mala via") geraten sind
Besagter Kollege unterhält sich mit meinem dem Chef über einen Helikopterflug zu einer entfernten Siedlung, das klingt interessant. Später spreche ich ihn darauf an. Einmal in 3 Monaten werden die Mittel des "100 a los 70" in den entlegensten Gebieten im Distrito Santa Fe (den ich ja bereits besucht habe), verteilt. Dafür startet ein Helikopter der Policia Nacional von Santiago aus in Richtung Norden. Angekommen in "Calovébora" geht es dann mit dem Boot weiter auf den Flüssen der Bergregion zu entlegenden Empfängern der Staatsunterstützung.
"Kann ich mitkommen?"
"Ich weiß nicht, ob das eine Schule erlaubt..."
"Welche Schule?"
Da  mein Kollege dachte, ich sei Austauschschüler, war er davon ausgegangen, das eine derartige Mission wohl ohnehin nicht als Teil des Austauschprogrammes erlaubt würde. Gut, dass ich nochmal nachgefragt habe, denn eine Schule oder eine Organisation, die mein Handeln hier einschränken gibt es ja zum Glück nicht :-) Ähnlich war es übrigens mit meiner Reise zur Trauminsel Coiba. Ich hatte einfach mal beim entsprechenden Kollegen nachgefragt, wann denn die nächste Exkursion startet. Einfach mal fragen, das scheint in Panama zu funktionieren. So kommt man dann auch an die spannenderen Erfahrungen, die ein Austauschschüler sonst nicht mitmacht.

Den ersten längeren Außeneinsatz mit dem MIDES hatte ich dann am 10.1., einem Freitag. Nach einem Vormittag im Büro ging es letztlich los in Richtung Soná, zum Gelände der Feria de Soná, einem von vielen Volksfesten, die im Sommer (der Trockenzeit) im ganzen Land stattfinden.

Die "Feria de las Flores y el Café", die ich eigentlich am Wochenende mit 3 Freunden besuchen wollte, habe ich dann doch nicht mehr aufgesucht, da ein Freund keine Lust mehr, ein anderer keine Zeit und ein dritter sich gar nicht mehr meldete - so ist das mit Planungen in Panama: Entweder verschiebt es sich oder man sucht sich schon mal eine alternative Beschäftigung. Auch ohne Feria hatte ich aber ein interessantes Wochenende mit einer Hochzeitsfeier am Samstag, mehr dazu in einem anderen Blog-Eintrag.

Auf dem Gelände der "Feria de Soná" stellt neben dem Landwirtschaftsministerium MIDA auch das MIDES einen Garten zur Schau, der für die Selbstversorgung von entlegenden Dörfern gedacht ist. Eine Empfängerin des "Red de Oportunidades" pflegt diesen Garten seit etwa einem Monat, damit dieser, pünktlich zur Feria am 14.Februar, gezeigt werden kann.
Reis, Kartoffeln, Yuca: Der Schaugarten des MIDES
Das Ministerium unterstützt neben derartigen Schaugärten, die als Lehrobjekte dienen, auch konkrete Projekte auf den Dörfern den Provinz, die sich mit der Selstversorgung beschäftigen. So habe ich bereits zwei Tage zuvor ein Projekt im Dorf "Naranjal" (Teil von San Francisco) besuchen können, einen sogenannten "Comedor", einen Ort, an dem die Einwohner des Dorfes bis zu drei Mal wöchentlich gemeinsam kochen. Verwendet werden dabei Obst und Gemüse aus eigener Produktion von einem künstlich bewässerten Anbau.

Der Reisanbau gelingt außerhalb der Regenzeit
 nur mit ausreichende Bewässerung
Dank einer von einem japanischen Firma installierten Wasserreservoirs ist Wasser zur Bewässerung der insgesamt etwa 2 ha großen Felder ausreichend vorhanden. Neben Reis, Bananen und Orangen wird auch Caña (Zuckerrohr) angebaut. Anders als die etwa so groß wie Mais wachsenden Caña-Pflanzen auf den großen Feldern im ganzen Land (ein Großteil davon gehört Präsident Martinelli), wird das Zuckerrohr hier nicht in Zucker in Pulverform oder gar Biodiesel umgewandelt, sondern nahezu direkt verwendet. Der einzige Verarbeitungsschritt ist das Ausquetschen des Halmes in folgender Maschine:

Die Ausquetschmaschine (Baujahr 2012)...

...holt mit ihren Walzen noch das letzte aus der Caña heraus

das fertige Produkt: Jugo (Saft) der Caña - Salud!
Der beim Quetschen austretende Saft, genannt "Jugo de Caña" schmeckt erwartungsgemäß recht süß. Er wird unter anderem verwendet, um die "Chícha de Maíz", ein berühmt-berüchtigtes alkoholisches Getränk, das ich auch schon probierte, zu süßen. Auch Kaffee lässt sich direkt mit diesem Erzeugnis verfeinern, eine Produktion von Zucker in Pulverform ist schlicht zu aufwändig.

Aber zurück nach Soná: Nachdem sich mein Vorgesetzter Luis von dem Fortschritt im Schaugarten überzeugt hat, machen wir uns auf den Weg in Richtung Süden. Das Gebiet südlich von Soná habe ich bereits durch die anam kennen gelernt. Außerdem kommen wir an der Einfahrt zu "Agua Blanca" vorbei, wo ich ein längeres Wochenende verbracht hatte. Auf dem Weg nehmen wir unser Mittagessen, es gibt Fisch, bei Bekannten einer Kollegin, die eine Art Kindergarten betreibt, ein.

Wie so oft in Panama wartet ein Hund sehnsüchtig auf die Essensreste
Das Ziel unserer fast einstündigen Fahrt ist "Playa Banco". Diesen Strand kenne ich auch bereits, da ich von hier aus nach Coiba ablegte. Ich hatte alles viel grauer in Erinnerung, weshalb ich Luis' Meinung, dieser Strand wäre besser als der in Santa Catalina, zuerst nicht teile.

HDR-Aufnahme von Playa Banco
Wie auf dem Foto unschwer zu erkennen, ist der Strand jedoch tatsächlich recht ansehnlich. Es muss am schlechten Wetter gelegen haben, dass ich ihn in als unschön in Erinnerung hatte. Da wir noch auf jemanden warten müssen, und ich ohnehin immer eine Badehose dabei habe, stürze ich mich in die Fluten. So gefällt mir die Arbeit - Sonne, Strand, leichte Welle. Welcher Strand nun "besser" ist, ob Playa Banco oder Santa Catlina, kann ich für mich mit "Playa Banco" beantworten. Dieser ist ruhiger gelegen und dem Ideal des Palmenparadieses einfach näher. In Santa Catalina muss man meist sehr weit über Muscheln und Steine bis zum Wasser laufen, dafür sind die Wellen dort surfbarer.

Etwa eine Stunde später geht es dann auch für uns weiter zu einer weiteren Empfängerin der Starthilfe "Red de Oportunidades". Ihr Projekt besteht aus der Herstellung von Kunst aus Strandgut, ähnlich wie ich das bereits in Santa Catalina gesehen habe. So wird aus einer abgestorbenen Koralle ein nettes Schmuckstück für den Schreibtisch:

Korallenkunst
Auf dem Rückweg nach Santiago schauen wir noch kurz bei eine vom MIDES betriebenen Nothilfeeinrichtung für Kinder und Jugendliche in Soná vorbei. Dort werden neben jungen, mitellosen oder überforderten Müttern auch Kinder betreut, die vernachlässigt wurden oder häuslicher Gewalt und ähnlichem ausgesetzt waren.

Mein Arbeitsalltag beim MIDES ist nicht jeden Tag mit Außeneinsätzen wie dem beschriebenen in Soná gesegnet. Meist verbringe ich ich die Zeit von 8:30 Uhr bis 15:30 Uhr in dem Büro am Schreibtisch meines Vorgesetzten, des Vize-Regionalchefs, der ständig in anderen Büros unterwegs ist. Fahrten auf die Dörfer sind häufig am Anfang der Woche bereits geplant, verschieben sich dann aber schonmal um ein, zwei oder auch drei Tage. Ich nutze die Zeit, um mit Freunden in Deutschland zu skypen oder mich mit meiner Kollegin zu unterhalten. Kaum ist die Mittagspause vorbei, schon ist der Tag fast rum. Schon häufiger ist am Nachmittag der Strom im Büro ausgefallen, manchmal sogar für mehr als zwei Stunden. Das ist aber ein lokales Problem, das bei den Kollegen bereits bekannt ist.

Las Mil Polleras - Das Fest der Tausend Röcke

Die "Pollera" mit Kopfschmuck
Panamas typischer Rock hat sein eigenes Fest
Ich hatte mich schon beinahe damit abgefunden, mit dem MIDES jetzt nicht mehr, wie noch bei der anam, unzählige Volksfeste zu besuchen. Von den "Desfiles", den gegen Jahresende gefühlt wöchentlich stattfindenen Festumzügen, hatte ich aber ohnehin langsam genug.

Was jetzt auf dem Programm stand, war aber kein einfacher Festumzug, sondern das Fest im Monat Januar in Panama. Anders als bei landesweiten Feiertagen findet besagtes Fest nur in Las Tablas in der Nachbarprovinz Los Santos statt. Auf die als Karnevalshochburg (1. - 4. März) bekannte Stadt richtet sich an diesem zweiten Samstag im Jahr das nationale  Medieninteresse. Zum vierten Mal erst fand das Fest nun statt.

Gegen 16 Uhr nach zweistündiger Fahrt in einem recht betagten Kleinbus des MIDES in der Stadt angekommen, suchen die Kollegen zunächst die eigene Delegation der nationalen Sozialbehörde auf. Das goldene Gefährt kommt auch bei den Karnevalsumzügen zum Einsatz:

Der Umzugswagen des MIDES-Ministeriums
Um mehr von dem Umzug sehen zu können, verlassen einige Kolleginnen und ich die Delegation und drängeln uns durch die schier unendliche Masse von Menschen auf den Straßen. Fast wie zu den Karnevalsumzügen seien die Straßen gefüllt, sagen mir meine Kolleginnen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie die Straßen noch voller sein sollen.

außer der polizeilich freigehaltenen Umzugsschneise
 sind die Straßen hoffnungslos überfüllt
Natürlich ist auch die nationale Prominenz auf solch einem Großevent nicht abwesend. Neben unzähligen TV-Moderatoren und nationaler Fernsehprominenz hat auch der ein oder andere Präsidentschaftskandidat hier seinen Auftritt. Stets im Bilde sind die TV-Zuschauer der fünf großen Fernsehsender, von denen jeder ein Sonderprogramm sendet.

Unzählige Kleidträgerinen...


...begleitet von traditionellen Musik-Gruppen (z.B. Tamborito)

Auch die kleinsten tragen die traditionelle Kleidung zur Schau
(in dieser Kombination als Hochzeitsdress beliebt)
Nach etwa 50 Delegationen, die lediglich zu Fuß unterwegs waren, kamen mit einsetzender Dämmerung schließlich die Umzugswagen vorbeigefahren. Die größte Delegation stellte, wie soll es in Panama auch anders sein, die Verwaltung des Kanals.

Wagen 1 von 5 der ACP-Kanalverwaltung
Unterbrochen von Delegationen zu Fuß folgen weitere Wagen. So zum Beispiel auch folgender mit leichter Schieflage, desen Besatzung mit Musik begeistert:


Als wenig später auch der Wagen des MIDES eintrifft, schließen wir uns den aus dem ganzen Land angereisten Kollegen an und laufen mit:


Auf unserem Weg zur Ehrentribühne, gegen Ende der Umzugsstrecke passieren wir die Bühnen von allen wichtigen TV-Stationen des Landes, die uns in landesweit übertragen. Ein Freund spricht mich Tage später darauf an, mich im Fernsehen gesehen zu haben.

Auf der Ehrentribühne meine ich, den Präsidenten Martinelli, erkannt zu haben, liege aber falsch. Ich könnte aber immerhin den Minister des Sozialministeriums kennen lernen, bietet mir eine Kollegin an. "Klar, wo denn?" In unserer eigenen Delegation ist er die ganze Zeit mitmarschiert, hat gerade die Ministeriumsflagge abgegeben, um einem Lokalreporter ein Interview zu geben. Dann ist Zeit für Fotos mit den (vorwiegend weiblichen) KollegInnen. Bald hat jeder sein Bild mit dem Minister, auch ich:

Minister Guillermo Ferrufino  und ein deutscher Weltreisender
Die Kolleginnen meinen, ich könnte der Sohn vom Minister sein, tatsächlich hat Ferrufino auch einen Sohn in meinem Alter. Kaum eine Woche im Ministerium, schon den Minister kennen gelernt ;-)

Was jetzt noch fehlt, ist eigentlich nur eines: Ein Bild mit einer Pollerada, einer Trägerin des berühmten Kleides, dem Grund dieses Festes. Unter den, nach offiziellen Angaben 15.000 Polleradas findet sich schnell eine hübsche für ein Foto:

Pollerad und Caballero
Noch etwa zu Akkordeon-Musik getanzt und die Atmosphäre aufgenommen, schon ist der Umzug vorbei. Im lokalen MIDES-Büro gibt es etwas zu Essen, dann machen wir uns auch schon wieder auf den Weg zurück zum Bus durch die immer noch volle Stadt.

Ich nehme mir vor, zum 4-tägigen Karnevalsfest Anfang März nach Las Talas zurückzukehren. Hier soll das berühmteste Fest des Landes stattfinden. Dabei treten zwei rivalisierende Gruppen gegeneinander an. Sowohl der Nord- als auch der Südteil der Stadt haben ihr eigens Fest mit Ständen, Umzügen und viel Wasser (um die Leute nass zu machen). Da sich Nord und Süd gegenseitig übertreffen wollen, ist ein gigantisches Fest sichergestellt.

Ende der kommenden Woche plane ich eine Reise nach Panama-Stadt. Dazu habe ich gerade eine Bootsfahrt im Gatún-See, der Teil des Panama-Kanals ist, gebucht. Mehr dazu dann natürlich hier.

Arne

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